Mittwoch, 13. Februar 2013

Bodybuilder - Die Außenseiter der Gesellschaft


Warum verstehen sie uns nicht einfach?


Seien wir mal ehrlich: Man(n) muss schon einen an der Waffel haben, dass man sich für den "Sport" des Körperformens entscheidet.

Ich meine, welcher normal denkende Mensch setzt sich freiwillig folterhaften Schmerzen aus, ernährt sich mit einer Mischung aus T-Rex und einem beliebigen Pflanzenfresser, um sowohl die Protein- aber auch die Gemüsezufuhr zu gewährleisten und verzichtet freiwillig auf die scheinbar spaßigsten Dinge im Leben wie Ausgehen, Discobesuche oder sonstige Unternehmungen, bei der der Gesundheitsaspekt des Lebens (generell) mal weit in den Hintergrund rückt?
Als ob das nicht reicht, muss man noch stets Faktoren wie ausreichenden Schlaf, innere Ruhe und weitere Aspekte berücksichtigen, damit dem Muskelwachstum bloß nichts im Weg steht.

Manche machen daraus eine Wissenschaft, wie sie am anabolsten morgens nach dem Aufstehen vom Bett zum Bad kommen. Diese Typen machen sich auch Sorgen, ob nach dem Sex mit der Gattin nicht doch 3g Eiweiß bei ihrer laufenden Proteinsynthese fehlen. Das sind auch die gleichen Menschen, die ich meistens im Pausenhof mit Donuts und Kuchen vom Bäcker sehe. Zu dieser hoch anabolen Mahlzeit gibt es aber stets ein Aminosäure-Fläschchen von der teuersten und meist umworbensten Supplement-Firma, die ich kenne. Auf die Frage, was der Sinn dieser Insider-Kombination sein soll, bekommt man eine Antwort zu hören wie: "Ich will abnehmen, da braucht man Aminos und so. Die helfen dabei hab ich gehört."

Um eins vorweg zu nehmen: Ich bin habe auch Wettkämpfe bestritten und habe bis zu 4-2 weeks out keine einzige "Mahlzeit" ausschließlich aus Aminosäuren bestehen lassen, oder habe separat zu einer Mahlzeit Aminosäuren zugeführt ( Die Supplementation rund um das Training zählt für mich hier nicht dazu).
Hier freut sich halt die Firma, die dadurch supported wird.

Das Schönste und für mich Schlimmste an diesen Menschen ist, dass sie extrem lernfähig sind.
Diese Lernfähigkeit betrifft aber nur die Bereiche, die meist ohne weiteren größeren Aufwand verändert werden können.
Ein Beispiel: Eine Dose Thunfisch ist schnell aufgemacht und schmeckt mit etwas Zitrone durchaus nach Thunfischsalat – nur ohne Salat eben . Dies benötigt keinen großen Aufwand an Neuerkenntnissen oder großem strukturellen Umdenken oder Umstellungen.
Da kam es durchaus vor, dass in dem kleinen Markt neben unserer Schule der ganze Thunfisch ab und zu ausverkauft war.
Von meinem Lieblings-Cottage-Cheese in der Light-Version mit 2% Fett - wovon sowieso nur 4 im ganzen 12er Pack enthalten sind - der nach dem Besuch der lernfähigen Mitmenschen schnell ausverkauft war, möchte ich gar nicht erst anfangen. Aber schön, dass der Magerquark noch randvoll da ist, den keiner außer mir runterkriegt.
Wenn mich dann einer um einen Ernährungsplan fragt, bitte ich ihn mir 1 Woche seine kompletten Mahlzeiten mit Uhrzeiten aufzuschreiben, damit ich seine Gewohnheiten sehen kann. Wenn dieser Zettel nicht kommt, weißt du schon, was auf dich zukommt.

Dann gibt es da eine andere Gruppierung, die eher der Meinung ist, dass alles, was sie tut, stets katabol wirkt und eine Versorgung mit hochwertigem Eiweiß sogar alle 60 Minuten stattfinden muss.
Naja, muss ich zu dieser Gruppe noch irgendwas sagen? Ich nehme an, da ist an Sex oder ähnliches sowieso nicht mehr zu denken.
Wie einst von CookinT erwähnt, müssen bei solchen Frauen immer die Gärtner, Nachbarn oder Chefs ran. Die freut die ganze Sache ziemlich, weil sie die Frau des Möchtegern-Hulk von nebenan in der Kiste haben.
Es ist für diejenigen, die es richtig ernst meinen, sehr schwierig geworden, sich von dem Scheißhaufen zu unterscheiden. Bis man erst soweit gekommen ist seinen engsten Mitmenschen die Lebens- und Denkweise verklickert zu haben, dauert es eine lange Zeit und in manchen Fällen ist es erfolglos.

Bodybuilding für Normalsterbliche schmackhaft machen? Keine Chance!

Extrem viele von "uns" (u.a. auch die Verbände selbst) bemühen sich seit Jahrzehnten diesen Sport für die Normalsterblichen tauglicher und schmackhafter erscheinen zu lassen.
Es ist nunmal schwer, jemandem klar zu machen, warum grade was getan werden muss. Es erfordert eben viele Neuanpassungen, um den menschlichen Körper vom "einfach nur Überleben"-Modus in den "Beast Mode Muskelaufbau mit möglichst wenig Fett behalten a.k.a. hyper shredded Cuts" umzuschalten.
Der Mensch ist ein fauler Geselle und scheut diese Neuanpassungen.
Warum sollten sie so viele Veränderungen auf sich nehmen, wenn ihr bisheriges Leben auch funktioniert hat (bis auf den störenden Bauch im Freibad)?
Irgendwie bekommt man das überschüssige Fett sowieso schon weg. Zahlt man dem Personal Trainer eben seine 600 Mücken für sein 6-Wochen-Abnehm-Bauch-Beine-Po-Zyklus.

Und da scheitert es dann auch beim Verständnis von Außenstehenden für diejenigen, die ihr Projekt für sich starten. Es ist durchaus respektabel für einen Neuanfänger, der sich von heute auf morgen komplett gegen die ehemaligen Denkweisen stellt.
Ein Familienvater, bei dem jeden Abend um 7 zu Abend gegessen wird, wird es nicht mit Rosen und Kränzen begrüßen, wenn der frisch 17 gewordene Sohn von heute auf morgen seine Mahlzeiten selbst zubereiten und nicht mehr mit der Familie essen möchte ( wir sprechen von einem sehr ambitionierten Sportler, der evtl. seine Teen- / Juniorenjahre bei Verbänden ausnutzen möchte).

Als ob es nicht schwer genug für den Jungen ist, vom heutigen Tage an auf McDonalds und Co. zu scheißen, muss er noch damit kämpfen, seine Gründe für sein Vorhaben unendlich vielen Personen zu erklären und um Verständnis zu bitten.
Was interessiert es seinen Lehrer oder seinen zukünftigen Arbeitgeber wie viele Wettkämpfe er schon bestritten hat oder die WM, die er bestreiten will? Vom Herzensblut, das er da rein steckt, ganz zu schweigen. Das interessiert niemanden!

Eine weitere Sache, die es immer verhindern wird, dass der Sport weiterkommt, ist das Aufwand-Nutzen-Verhältnis. Wir sehen nackt gut aus, Punkt, mehr nicht. Diesem Punkt der positiven Seite der Bilanz stellen wir viele, ja sehr viele Nachteile gegenüber, die ein Ottonormal-Studiomitglied einfach nicht investieren will.

Achten wir nicht auf genügend Flexibilität, werden wir unbeweglich (ich spreche nicht von dem typischen Mythos, wer Magermasse zulegt, wird unflexibel, sondern von Mangel an anderweitiger sportlicher Betätigung).
Machen wir nicht genug Cardio, werden wir in der Off-Season eventuell zu fett ( natürlich Körpertypabhängig).
Wir müssen eine Struktur im Leben gestalten, um unseren Trainings- und Ernährungszyklus in den Alltag einbauen zu können. Es ist ein 24/7-Job neben dem alltäglichen Job für ein gutes Körperbild, wenn wir nackt sind.

Es ist außerdem nicht einfach Menschen zu erklären, dass man gerade "sinnlos" hart arbeitet (Auszug von Ercan Demir aus "Pumping Ercan"). Es interessiert meine Kommilitonen nicht, dass ich jeden Tag vor der Uni eine dreiviertel Stunde Cardio hinter mir habe und in der großen Mittagspause trainieren gehe, weil ich nach der Uni noch arbeiten muss. Die hinzukommenden Erklärungen über das Kaloriendefizit wegen der Diät auf die anstehende Meisterschaft und die schlechte Laune grenzen an Wahnsinn für sie. Sie würden sich so etwas niemals antun, nur um nackt gut auszusehen bzw. ihren dicken Bauch loszuwerden.
Es ist eine Reihe von Erklärungen, die Außenstehende verstehen müssen und vor allem nachvollziehen müssen, damit der Sport alltagstauglich werden kann. Es muss eine "Freude" am hart Arbeiten entstehen. Der Faulheitsmodus im Zeitalter der Technik muss ausfallen.
Es muss Spaß machen hart zu arbeiten. Man muss ja für eine Suche im Internet nicht mal mehr in die Tasten drücken. Das macht mittlerweile auch die Siri (oder wie auch immer die Gattin von manchen mittlerweile heißt).
Hier gibt es sogar manche unter uns, die sich von A-Z an alle Vorgaben und möglichen Tricks und Kniffe halten und sich eingestehen müssen, dass sie bei weitem nicht so aussehen, wie das genetisch bevorzugte Ottonormal-Mitglied, das nicht halb soviel - und in manchen Fällen sogar überhaupt nicht - trainiert.

Ich persönlich denke, dass die Alltagsfähigkeit vom Bodybuilding auch nicht wirklich funktionieren wird. Wir sind nun mal verdammt freakige Aliens, die nicht mal mehr aussehen wie normale Menschen. Wir sind in gewissem Maße dazu bestimmt uns teilweise abzukapseln und in unserer eigenen Welt zu leben (beim Lesen dieser Worte braucht ihr keine Debatte über meine psychische Vitalität zu starten).

Es ist daher mehr oder weniger ein Glück für uns, dass in einem Land wie Deutschland jeder so freakig leben darf wie er will, solange er nicht für sich oder andere eine Gefährdung darstellt.
Die Ansichten, was richtig und was falsch ist, gehen auch hier durchaus weit auseinander.

Wir haben mit den sogenannten "Normalos" schon fast gar nichts mehr zu reden.
Sobald einer mit uns alleine für 5 Minuten in einem Raum ist, fällt ihnen kein anderes Thema ein, als wie das Training läuft und wann die nächste Weltmeisterschaft ist. Ich meine, das kann es ja nicht sein. Haben wir keine "normalen" Themen zu besprechen? Haben wir, nur weil wir durch unsere Disziplin jeden Tag aufs neue unsere Hähnchen-mit-Reis-Gerichte dabei haben, keine anderen Sorgen und Probleme im Leben? Wir repräsentieren Disziplin und dadurch entsteht auch ein Eindruck von Vollkommenheit. Sollten wir mit einem Stück Schokolade erwischt werden, muss irgendwas irgendwie nicht in Ordnung sein. Da werden wir gefragt, ob jemand verstorben sei und ob sonst alles in Ordnung ist. Es kommt keiner darauf, dass man selbst grade mal "Lust" auf ein verdammtes Stück Schokolade hat.
Und nur, weil wir uns nicht jedes Wochenende unser lernunfähiges Hirn volllaufen lassen, heißt das nicht, dass wir nicht verstehen was Wodka Lemon on Ice ist.
Immerhin schließe ich sie ja auch nicht von der Diskussion mit meinem Trainingspartner über die nachweisliche Wirkung von Creatine Malate im Vergleich zum herkömmlichen Monohdyrat aus, oder?

Keiner wird Bodybuilding unterstützen, weil Bodybuilding der Grundstein von "sich selbst in den Arsch treten" bedeutet. Kein Sport der Welt ( meiner Meinung nach) kann den Sportler so sehr erniedrigen wie eben Bodybuilding es tut.

Aber warum machen wir es dann weiter?

Aktuell ist fast die ganze Wintersaison vorbei und ich wollte den Posing-Slip erstmal länger als 1 Jahr hängen lassen. Nachdem ich die Jungs aber sah und einige Wettkämpfe verfolgt habe, juckt es mich selbst bald wieder anzutreten.
Obwohl ich weiß, dass der Großteil dieser Jungs keinen großen finanziellen Nutzen aus dieser Saison ziehen wird. Ich muss zugeben, dass mich diese Jungs auch anspornen, weil sie besser sind als ich. Ich möchte selbst besser sein und weiß aber parallel, dass das Besserwerden mit viel Arbeit verbunden ist (viel sinnloser harter Arbeit, nicht wahr Herr Demir?).

Was gibt uns dennoch Anreiz dafür, das zu tun, was wir gerne tun?
Warum ärgern wir uns über die unzähligen Anfragen über Tipps zum Ab- und Zunehmen, wenn wir GENAU wissen, dass diese Person niemals die Anweisungen befolgen wird und wahrscheinlich dem Bananen-Trainer mehr Aufmerksamkeit schenkt? Wieso bemühen wir uns trotzdem um sie? Wieso wollen wir denn, dass sie Erfolg bei dem haben, was sie tun wollen? Sind das unsere Früchte? Beweisen wir uns selbst dadurch, dass wir verdammt gut sind?

Diejenigen, die sich mit der Materie beschäftigen, haben doch einen meilenweiten Vorsprung zu den Halb- oder Unwissenden. Wir wissen genau, was zu tun ist, wenn der Bauch frei werden soll.
Da helfen keine Crunches oder Situps mit 10 Sätzen a 150 Wiederholungen zum "Definieren".
Wir wissen durch die ganzen Jahre, die wir uns mit diesen Thema beschäftigen und ausgiebig Literatur und sonstige Quellen zur Belehrung nutzen, was in welchem Fall/Wunsch wie zu tun ist.

Wieso reicht uns das nicht? Wir wissen wie wir ab- und zunehmen können. Wir können uns doch selbst bis ans Lebensende damit beschäftigen nach dem perfekten Körper zu streben.

Was sagt uns, dass es nicht genug ist, was wir wissen und was bringt uns dazu an Wettkämpfen teilzunehmen um einen Pokal zu bekommen, der dem Pokal eines Kindergartenkindes ähnelt, den er für den 3. Platzt im Malwettbewerb bekommen hat?

Das ist eine umstrittene Frage und ich glaube sie wird auch nie zu 100% beantwortet werden können.
Man kann nur soviel sagen, dass es etwas Unerklärliches ist. Man könnte hier die Frage anschließen, ob wir durch die Einsicht des harten Arbeitens für einen bestimmten Zweck moralisch bessere Menschen sind. Dies wäre für mich aber deutlich zu hoch gegriffen.
Bodybuilder for President? Arnie macht es vor.
Es ist gut eine solche Einstellung zu haben, mit der man wenig von anderen geschenkt erwartet und sich selber fordert. Die meisten werden dadurch beim erreichen ihrer Lebensziele nicht enttäuscht werden.
Wir können dank unserer Fähigkeit, hart für ein Ziel arbeiten zu können, anstehende Aufträge oder Lebensziele realistisch einschätzen und uns selbst kritisch hinterfragen. Das ist durchaus etwas Positives für einen selbst, Davon wird keiner profitieren außer man selbst.

Naja, das sind wir halt - Bodybuilder, getrieben von einem starken Willen sich selbst stetig zu verbessern und der Liebe zum Sport und einer "guten" Lebenseinstellung insgesamt.

Lange Rede kurzer Sinn: Auch wenn das vielleicht keine neue Erkenntnis ist, sollte es manch einem trotzdem mal wieder vor Augen geführt werden, dass wir nicht so "normal" sind wie die anderen. Vielleicht ist der Versuch uns "normal" zu zwingen doch keine gute Idee?

QUELLE: http://www.team-andro.com/warum-verstehen-sie-uns-nicht-einfach.html

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